Aktion: Willi-Graf-Glocke in Jugendkirche eli.ja Saarbrücken


Seit dem 12. Oktober 2020, dem 77. Todestag des Widerstandskämpfers Willi Graf, kann in der Jugendkirche eli.ja täglich die Willi-Graf-Glocke von Freiwilligen geläutet werden. Die Glocke soll immer um 17 Uhr - dem dokumentierten Todeszeitpunkt Grafs - geläutet werden und so an Graf und seine Mitstreiter von der "Weißen Rose" erinnern.

 

 

„Angelegenheit wird am 12. Oktober um 17 Uhr erledigt“ – ganze neun Worte benötigte der Oberstaatsanwalt im Herbst 1943, um mitzuteilen, dass der 25 Jahre alte Student Willi Graf hingerichtet werden soll. Anlässlich des 77. Todestages des Widerstandskämpfers und Mitglieds der „Weißen Rose“ ist am Montag in der Kirche der Jugend Elija in Saarbrücken im Rahmen eines Gedenkgottesdienstes erstmals die neue Willi-Graf-Glocke durch den Präsidenten des saarländischen Landtags, Stephan Toscani, geläutet worden. An den Mut und die Zivilcourage Grafs soll die Glocke künftig jeden Tag von 17 Uhr bis 17.03 Uhr – den Todesminuten Willi Grafs – erinnern.

„Wir wollen mit der Glocke Willi Graf eine Stimme geben“, sagte Jugendpfarrer Christian Heinz. „Wir sollen von ihr auch gestört werden: Gestört werden von den Denkmustern, die wir in unserem Kopf haben, den Grenzen und Schranken und dem, was in unserem Land vielleicht noch einmal hoffähiger geworden ist, als es vor ein paar Jahren noch gewesen ist. Dass wir es wie die Glocke und Willi Graf tun und unsere Stimme erheben.“ Das Läuten solle zugleich sagen: „Nie wieder!“

In den Briefen und Tagebucheinträgen zeige sich Willi Grafs klares, gar radikales Weltbild, sagte Schulpfarrer der Saarbrücker Willi-Graf-Schulen, Martin Birkenhauer, in seiner Predigt. „Wer war für die Nazis, wer dagegen? Dazwischen war kein Raum. Deshalb kommst du mir unfrei vor“, sagte Birkenhauer in einem fiktiven Zwiegespräch mit Graf. Diese Absolutheit und die Bereitschaft, für seine Überzeugung mit dem Leben zu bezahlen, könnten auf uns heute auch abschreckend wirken. Nur die wenigsten seien in der Lage, ebenso zu handeln. Doch für Graf habe Freiheit bedeutet, zu wissen, dass er etwas tun muss. „Es ist das Zeichen der Zeit, dass wir erst später erkennen, dass wir unfrei sind. Du hast es schon vorher gespürt“, sagte Birkenhauer und schloss mit einer Mahnung für die heutige Zeit aus einem Brief des Apostels Paulus an die Galater: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest und lasst euch nicht noch einmal das Joch der Knechtschaft auflegen!“

Den Gedenkgottesdienst, der von der Bläser- und Streicherklasse der Willi-Graf-Schulen musikalisch gestaltet wurde, besuchte auch der Neffe des Widerstandskämpfers, Joachim Baez. Der gebürtige Saarbrücker, der heute in Leer/Ostfriesland lebt, ist der Sohn von Willi Grafs Schwester Mathilde. „Jeder Einzelne trägt die ganze Verantwortung – dieses inzwischen berühmte Zitat aus dem Brief meines Onkels an seine Schwester Anneliese meint sicherlich nicht, dass jedem Einzelnen die Verantwortung für die ganze Welt aufgebürdet wird. Es meint, dass jeder in seinem Zuständigkeitsbereich sein Möglichstes tun muss“, sagte Baez.

Die Idee für die Gedenkglocke zu Ehren Willi Grafs hatte 2017 eine junge Frau in seiner Jugendgruppe, erzählt Jugendpfarrer Christian Heinz. Im Saarland und in der Pfalz wurde damals über den Umgang mit wiederentdeckten Glocken aus evangelischen Kirchen aus der Nazi-Zeit diskutiert, die mit Hakenkreuzen und Hitler-Insignien versehen waren. Die Idee, die Hitler-Glocken umzuschmieden und der neuen Glocke eine neue, positive Bedeutung zu verleihen, habe man jedoch nicht weiter verfolgt. Zunächst wollte die Gemeinde eine neue Glocke gießen lassen – der Kirchturm der Jugendkirche bietet Platz für fünf Glocken, doch bislang hing nur eine einzige. Von der Idee nahm man wieder Abstand, als die Jugendgruppe in der Werkstatt des Kunstschmieds Kurt Jenal aus Schmelz-Hüttersdorf eine alte Glocke fand. „Diese wurde 1965 für die Kirche Maria Königin in Schmelz-Primsweiler gegossen. Doch nachdem der dortige Glockenturm abgerissen worden war, lag sie nur noch in der Werkstatt“, erzählt Heinz. Auch den Jugendlichen habe der Gedanke, die alte Glocke zu „recyclen“ gefallen.

Doch damit fing die eigentliche Arbeit erst an: „Ein Glockensachverständiger musste prüfen, ob die Primsweiler Glocke von der Tonlage zur bisherigen Glocke passt und sich auch klanglich mit dem Saarbrücker Stadtgeläut harmoniert.“ Die Kirchengemeinde hatte Glück, der Glockensachverständige gab grünes Licht: Das „h“ der Willi-Graf-Glocke passt hervorragend zu dem „g“ der bisherigen Glocke. Die Jugendlichen machten sich daraufhin an die Arbeit. Eine junge Frau, die als Tattoowiererin arbeitet, zeichnete die weiße Rose, die die Gruppe gemeinsam mit Kunstschmied Jenal in die Glocke eingravierte. „Muss eine bereits geweihte Glocke bei einer neuen Nutzung erneut geweiht werden?“, erinnert sich Heinz an eine weitere Fragestellung. Nach Rücksprache mit dem Bistum Trier sollte die Glocke im Rahmen des Sommerfestes 2018 gesegnet und an Allerheiligen, 1. November, erstmals geläutet werden. 2018 wurde im Saarland mit Veranstaltungen des 100. Geburtstags Willi Grafs gedacht. Doch diese Pläne wurden von der Statik durchkreuzt: Betonschäden im Turm der 1954 errichteten Kirche machten es unmöglich, die Glocke aufzuhängen. Erst zwei Tage vor dem 77. Todestag des Widerstandskämpfers wurde die 340 Kilogramm schwere Glocke im sanierten Kirchturm aufgehängt.

Willi Graf sei verglichen mit den Geschwistern Scholl in der öffentlichen Wahrnehmung ein eher unbekanntes Mitglied der „Weißen Rose“. „Willi Graf hat am längsten von allen – über acht Monate lang – geschwiegen und dadurch andere gerettet“, sagt Heinz. Ihn als Vorbild immer wieder neu zu entdecken, sei auch Aufgabe des Religionsunterrichts. „Das Bistum sollte ihn mehr in den Fokus nehmen“, wünscht sich der Geistliche. Das Erzbistum München als zuständige Stelle prüfe aktuell die Seligsprechung des gläubigen Widerstandskämpfers.

Die Willi-Graf-Glocke kann sowohl elektrisch als auch manuell mit einem Seil geläutet werden. Um das Gedenken an Willi Graf aufrecht zu erhalten, sollen jeden Tag während dessen Todesminuten von 17 Uhr bis 17.03 Uhr Freiwillige die Glocke läuten. Wer Interesse hat, einmal die Willi-Graf-Glocke zu läuten, kann sich bei Pfarrer Christian Heinz von der Jugendkirche Eli.ja melden unter eli.ja@bistum-trier.de

 

Der aufgezeichnete Gottesdienst ist online anzuschauen unter:

www.youtube.com/watch?v=5-MGTp9ZrNc

Zielgruppen

  • Jugendliche (14 - 17 Jahre)
  • Junge Erwachsene (18-27 Jahre)
  • Erwachsene
  • Lehrer_innen

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