Bunt statt Braun: Nie wieder-das ist Jetzt
Wir sind bunt und wir sind laut, weil uns niemand den Rechtsstaat klaut!
Was für ein wunderbares Bild! Der ganze Ludwigsplatz gefüllt mit euch, den Liebhaberinnen und Liebhabern der Demokratie und des Rechtsstaates! Seid willkommen! Die Evangelische Kirchengemeinde Saarbrücken-Mitte stellt mit großer Freude euch ihren Platz zur Verfügung!
Schön, dass ihr diesen Platz einnehmt, die Ludwigskirche in eure bunte Mitte nehmt. Wo ist die Mitte? Die Mitte ist nicht rechts, die Mitte ist nicht links, die Mitte ist in der Mitte. In der Mitte Saarbrückens, bei einem der Wahrzeichen des Saarlandes. Wo ist die Mitte? Die Mitte ist heute hier und jetzt. Die Mitte, das ist die Mehrheit. Die bisher zu schweigsame Mehrheit wird laut, muss laut werden. In Zeiten in denen manches bisher Unsagbare wieder hoffähig gemacht wird von denen, die diesen Staat abschaffen wollen, die lieber braune Einheitssoße wollen anstatt bunter Vielfalt. Vielfalt bereichert. Uniformität macht dumm. Wir wollen bunt statt braun. Denn wir sind das Volk: Wir, die Liebhaberinnen und Liebhaber des demokratischen Diskurses. Die Mehrheit derer, die den Rechtsstaat, der für alle gleichermaßen gilt, verteidigen. Wir, die Mitte, die Mehrheit, setzen uns für Menschenwürde und Gerechtigkeit für alle ein. Die Mehrheit derer, die Menschen nicht einfach im Mittelmeer absaufen lassen wollen und sich nicht klammheimlich darüber freuen, wie das Rechtspopulisten und Rechtsextremisten tun. Wir, die Mehrheit, die es auch aushält, wenn es schwierige Zeiten gibt.- wie jetzt, in Zeiten von Pandemie, Kriegen, und Terrorismus, bei schwierigen Kontroversen um die beste Gestaltung der Zukunft unsers Landes. Die sich nicht wegducken, wenn es zur Bewährungsprobe unserer offenen Gesellschaft kommt.
Wo führen Geschwafel von einer angeblichen uniformen Volksgemeinschaft, übersteigerter Nationalismus und Rassenwahn hin? Das sieht man an dieser Kirche, die wir schützend in die Mitte genommen haben:
Auf den Schaubildern zur Geschichte der Kirche vorne am Stengelgarten zum Zustand der Kirche am 5.Oktober 1944: Bis auf die Grundmauern zerstört blieb kein Stein auf dem anderen. Folge des vom deutschen Rassenwahn vom Zaun gebrochenen Krieges. Folge der Ausgrenzung von angeblich unliebsamen Menschen. Folge der Ermordung von Juden, Sinti und Roma, Schwulen, Christen, Gewerkschaftern, Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen, sog. Asozialen und angeblichen Berufsverbrechern. Ja, wir Deutsche habe aus der Geschichte gelernt. Allen Unkenrufen zum Trotz. Darum stehen wir heute hier und sagen: Nie wieder! Wir sagen Nein zu Rassismus und Antisemitismus. Nein zu Tätlichkeiten auf queere Menschen und Sinti und Roma. Nein zu Angriffen auf Kirchen, Synagogen, Moscheen. Warten wir nicht ein zweites Mal, bis der Zug abgefahren ist. Denn wir wissen doch genau, wohin die Züge der Nazis gefahren sind!
Die Ludwigskirche gehört zur Internationalen Nagelkreuzgemeinschaft. Diese steht für die Versöhnung mit ehemaligen Kriegsgegnern. Die zerstörte Figur des Jakobus im Inneren der Kirche, an der noch rote Brandspuren zu sehen sind, erinnert an alle Opfer von Krieg, Hass und sinnloser Gewalt-damals wie heute. Die Botschaft ist: Christliche Nächstenliebe passt nicht zur Ausgrenzung von Menschen in unserer Gesellschaft. Bunter Glaube in der Nachfolge Jesu passt nicht zu braunem Irrglauben. Völkische Gedanken passen nicht hat zum Christentum. Unser Kreuz hat keinen Haken! Der schwebende Engel auf dem Kanzeldach im Innern der Ludwigskirche verkündet die Gute Nachricht von der Liebe Gottes zu allen Menschen. Deshalb: Wir brauchen mehr Liebe in der EINEN Welt!
Wie soll es denn nun nach den Kundgebungen und Demos gegen braunes Gedankengut weitergehen? Dazu will ich noch Wünsche loswerden:
1. Ich wünsche mir von uns allen: Es reicht nicht, zu Demos und Kundgebungen gegen Braune zu gehen. Entscheidend werden die kommenden Wahlen sein. Geht da hin und wählt eine der demokratischen Parteien in unserem Land! Engagiert euch in den Parteien oder Bürgerintiativen, parlamentarisch oder außerparlamentarisch!
2. Ich wünsche mir von Politikerinnen und Politikern. Hört auf mit euern Grabenkämpfen und dem Klein-Klein-Denken. Vor allem in Berlin in Regierung und demokratischer Opposition. Versteht doch es geht ums Ganze. Da müssen auch einmal eigene Interessen hinter denen des Landes zurückstehen. Nicht nur bei Sonntagsreden postulieren, sondern auch im Alltag praktizieren!
3. Ich wünsche mir von den Journalistinnen und Journalisten, dass sie unter Wahrung der Pressefreiheit noch mehr von dem berichten, was gut läuft und gelingt, wo Menschen menschlich miteinander umgehen und wo Kommunikation gelingt. Das Positive überwiegt bei weitem das Negative, nur wird zu selten darüber berichtet. Blast nicht jeden kleinen Furz in Berlin zu einer großen Blähung in der ganzen Republik auf. Sonst kriegen womöglich auch hier Bürgerinnen und Bürger den Eindruck, wir lebten in einem Bananenstaat. Aber es gilt das Wort Winston Churchills: „Die Demokratie ist keine besonders gute Staatsform. Aber es ist die Beste, die ich kenne.
4. Ich wünsche mir von den Juristinnen und Juristen in diesem Land, dass sie wirklich alle Mittel des Rechtsstaats ausreizen, wenn es gegen rechtspopulistische und rechtsextremistische Umtriebe geht. Die Toleranz hört da auf, wo Intoleranz beginnt. Das darf nicht sein.
Zum Schluss erinnere ich an das geflügelte Wort des früheren hessischen Kirchenpräsident Martin Niemöller, der einmal zutreffend gesagt hat - und dies gereiche uns zur Mahnung:
Als die Nazis die Kommunisten holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten,
habe ich geschwiegen,
ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten,
gab es keinen mehr,
der protestieren konnte.
Lasst uns also wachsam bleiben und nicht feige werden. Nie wieder- das ist Jetzt und Hier! Glückauf!
Frank-Matthias Hofmann, Sprecher der LAG Erinnerungsarbeit im Saarland