Stellungnahme LAGE

12. Okt 2023 – 30. 2023 Nov
  • Stellungnahme

zum Urteil im Yeboah-Prozess

Mo, 09.10.2023, 14:05 bkn056 3 pl 417 vvvvb KNA 231009-89-00147#4 Recht Urteile Rassismus Extremismus Flüchtlinge Rassistisches Verbrechen - Urteil zu Brandanschlag in Saarlouis 
In den 1990er Jahren griffen Rassisten in Deutschland Unterkünfte für Geflüchtete an. Im Saarland starb 1991 ein Mensch, weitere wurden verletzt. Über 30 Jahre später verurteilte nun ein Gericht einen Mann für die Tat.

Koblenz/Saarlouis (KNA) Die Kirchen und der Flüchtlingsrat im Saarland begrüßen das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz (OLG) zum Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Saarlouis vor mehr als 30 Jahren. Das Gericht verurteilte am Montag den 52-jährigen Peter S. zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten, unter anderem wegen Mordes, versuchten Mordes und schwerer Brandstiftung. Bei dem Anschlag am 19. September 1991 starb der 27 Jahre alte Ghanaer Samuel Yeboah. Zwei weitere Bewohner wurden verletzt, 18 weitere konnten sich aus dem Gebäude retten. Während des Prozesses wurde im Juni ein zweiter Tatverdächtiger festgenommen, der im Verdacht steht, den Täter bestärkt zu haben.
Nach Worten der Leiterin des Katholischen Büros im Saarland, Katja Göbel, war mit dem Prozess ein gesellschaftlicher Erkenntnisgewinn verbunden. "Endlich wurde gesehen, dass mitten unter uns ein politisch motiviertes, ein rassistisches Verbrechen geschehen ist", sagte Göbel der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sie beobachte, dass Antisemitismus und Rassismus zunähmen. Göbel sprach von einem "Weckruf für uns als Gesellschaft, sensibel und wachsam miteinander umzugehen, aufeinander zu achten".
Es gelte, einer Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen für das Saarland, Frank-Matthias Hofmann, sagte KNA, die Tat zeige, dass Stigmatisierung und Ausgrenzung zu menschenverachtendem Handeln führen könnten. Das dürfe sich nicht wiederholen. Er beobachte mit Sorge Zuspruch für "die großen Vereinfacher", die einfache Lösungen für komplexe Probleme versprächen. Auch in der bürgerlichen Mitte gebe es inzwischen Tendenzen, Menschen zu stigmatisieren und auszugrenzen. "Wir dürfen nicht auf dem rechten Auge blind sein." Das Grundgesetz verpflichte dazu, die Würde jedes Menschen zu achten. Eine wichtige Aufgabe komme politischer Bildung und Erinnerungsarbeit zu. Ursula Quack vom saarländischen Flüchtlingsrat sagte, das Urteil sei für die Überlebenden wichtig, weil es die Tat als rassistischen Anschlag anerkenne. Sie kritisierte, dass das Gericht manche Bewohner der Unterkunft zwar als Opfer eines Brandanschlags, nicht aber eines Mordanschlags eingestuft habe. Sie hoffe, dass diese Betroffenen trotzdem eine Entschädigung erhalten könnten.
Die Bundesanwaltschaft hatte 2020 nach neuen Hinweisen die Ermittlungen übernommen. Anlass war eine Zeugenaussage. In den 1990er Jahren hatte die Justiz im Saarland das Verfahren eingestellt. Sie steht für ihr damaliges Vorgehen in der Kritik. Unter anderem wird Ermittlungsbehörden vorgeworfen, die rassistischen Motive der Tat bewusst übersehen und nicht umfassend ermittelt zu haben. Außer dem Anschlag, bei dem Samuel Yeboah ums Leben kam, gab es Anfang der 1990er Jahre weitere Anschläge auf Einrichtungen für Migranten im Saarland; mehrere davon in Saarlouis. Ein Untersuchungsausschuss im Landtag soll die Versäumnisse der damaligen Landesregierung und ihrer Behörden untersuchen. Die Landesregierung hat kürzlich auch einen Entschädigungsfonds für die Opfer eingerichtet.

Hofmann