Gedenkstunde 22. Oktober

22. Okt 2020 17:00 – 19:00
  • Gedenkveranstaltung

80. Jahrestag der Deportationen von Jüdinnen und Juden aus Südwestdeutschland in das Lager Gurs

Am 22. Oktober 1940 wurden 6.500 Jüdinnen und Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in das Internierungslager Gurs am Rand der Pyrenäen deportiert. Aus dem Saarland wurden 134 Menschen verschleppt.

 

Die sogenannte „Wagner-Bürckel-Aktion“ am 22. Oktober 1940

Diese Maßnahme ging von  Josef Bürckel, Gauleiter Saarpfalz, und Robert Wagner, Gauleiter Baden, aus und sah vor, alle Jüdinnen und Juden aus deren Machtbereich zu vertreiben. Daher wurden aufgrund der  sogenannten „Wagner-Bürckel-Aktion“ auch aus dem Saarland 134 zumeist ältere Menschen in das Lager Gurs am Fuß der Pyrenäen verschleppt. Es waren diejenigen, die sich -  anders als die meisten saarländischen Jüdinnen und Juden nach 1935 - eine Emigration nicht leisten konnten oder wollten.  84 Frauen und 50 Männer,  darunter die zweijährige Mathel  Salmon aus Homburg, und als Ältester der 88-jährige Josef Kahn aus Merzig-Brotdorf, wurden ihrer Wohnung beraubt und gezwungen, ihren Besitz zurückzulassen. Ihnen blieben auf ihrem Weg nach Gurs 50 Kilogramm Gepäck, eine Wolldecke und 100 Reichsmark. 30 der Deportierten konnten von Gurs in die USA, nach Israel oder in die Dominikanische Republik emigrieren oder in Frankreich überleben.  Alle anderen wurden, sofern sie nicht Krankheiten und Hunger in Gurs und anderen Lagern in Südfrankreich erlagen, im August 1942 über Drancy nach Auschwitz deportiert und ermordet.

 

Internierungen seit 1939

Saarländische Jüdinnen und Juden, die nach der Rückgliederung des Saargebietes an NS-Deutschland 1935 nach Frankreich, Belgien, die Niederlande oder Luxemburg oder spätestens nach dem Pogrom am 9. November 1938 emigrierten, wurden nach Kriegsbeginn im September 1939, vor allem aber nach dem Überfall im Mai 1940 auf Frankreich und die Benelux-Länder, als „feindliche Ausländer“ in Gurs interniert.

Davon betroffen waren Saarländerinnen und Saarländer, die als Gegnerinnen und Gegner des Nationalsozialismus‘ 1935 emigrierten, um der Verfolgung zu entgehen. Darunter waren Männer und Frauen, die sich den Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg angeschlossen hatten. Nach dem Sieg der Truppen General Francos flohen sie im Februar 1939 über die Pyrenäen nach Frankreich. Im April wurde nahe dem Dorf Gurs ein Auffanglager für die Geflüchteten errichtet. Einige der Internierten traten in die Fremdenlegion ein,  verpflichteten sich für Arbeitskommandos und wurden nach 1940 an Deutschland ausgeliefert und dort in Konzentrationslager eingewiesen. Andere überlebten versteckt oder unter falschem Namen in Frankreich.

 

Rund 500 in Gurs internierte Saarländerinnen und Saarländer – Datenbank zu den in Gurs internierten Saarländer*innen

Der Historiker und ehemalige Leiter des Instituts für Pfälzische Landesgeschichte und Volkskunde mit Sitz in Kaiserslautern Roland Paul hat bereits für die am 22. Oktober 1940 aus der Pfalz deportierten Jüdinnen und Juden die im Departementsarchiv in Pau aufbewahrte Lagerkartei ausgewertet. Im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes ging er im vergangenen Jahr erneut diese Aufgabe an und ermittelte alle in Gurs internierten Saarländerinnen und Saarländer. Dazu kommen die in Gurs internierten saarländischen Spanienkämpfer, die von dem saarländischen Historiker Max Hewer ermittelt wurden. Diese Recherchen ergaben, dass seit 1939 rund 500 Menschen aus dem Saarland in Gurs interniert waren. Derzeit bereitet die Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes dazu eine Datenbank vor, die auf der am 22. Oktober 2020 veröffentlichten Lern- und Informationsplattform der Landeszentrale für politische Bildung „gurs.saarland“ in den kommenden Monaten erscheinen wird.

 

Ausstellung zum 80. Jahrestag der Deportation

Die von den Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland am 9. September 2019 geschlossene Ländervereinbarung – für das Saarland unterzeichnete der vormalige Bildungsminister Ulrich Commerçon – sieht die Instandhaltung der Deportiertenfriedhöfe in Gurs und der Region vor. Aus Anlass des anstehenden 80. Jahrestags der sogenannten „Wagner-Bürckel-Aktion“ wird außerdem eine Ausstellung unter dem Titel „Gurs 1940. Deportation und Ermordung südwestdeutscher Jüdinnen und Juden“ erarbeitet. Damit betraute das für das Projekt federführende baden-württembergische Kultusministerium  die Bildungs- und Gedenkstätte „Haus der Wannsee-Konferenz“, Berlin. „Gurs“ steht für die erste große Deportation bevor in Folge der Wannsee-Konferenz am 20. Januar 1942 die Deportationen in die Konzentrationslager im Osten Europas begannen. Die Ausstellung eröffnet saarlandweit am  8. April 2021 in allen Landkreisen sowie dem Regionalverband Saarbrücken. Die Landeszentrale für politische Bildung Saarland stellt allen Landkreisen sowie dem Regionalverband Saarbrücken jeweils eine Ausführung der Ausstellung kostenlos zum dauerhaften Verbleib zur Verfügung.

 

Gedenkstunden am 22. Oktober in Saarbrücken und Rehlingen-Siersburg

 

Am Jahrestag der 80. Wiederkehr der Deportation aus dem Saarland nach Gurs findet als Kooperation der Landeszentrale für politische Bildung des Saarlandes, des Historischen Museums Saar und der Volkshochschule Regionalverband Saarbrücken und mit Unterstützung des Saarländischen Staatstheaters um 17:00 Uhr eine Gedenkstunde auf dem Saarbrücker Schlossplatz statt. Es sprechen Bildungsstaatssekretär Jan Benedyczuk, Peter Gillo, Direktor des Regionalverbandes Saarbrücken, und Ricarda Kunger, designierte Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar. Der Kantor der Saarbrücker Synagogengemeinde Benjamin Chait beschließt die kurzen Ansprachen mit einem Gebet.

 

Mit Unterstützung des Historischen Museums Saar und des Saarländischen Staatstheaters ist eine Rauminstallation auf dem Schlossplatz geplant. Das Historische Museum Saar organisiert dazu eine Klangintervention. Um 15, 16, 18 und 19 Uhr finden kostenlose, einstündige Führungen zum „Unsichtbaren Mahnmal“ und durch die Dauerausstellung „Zehn statt tausend Jahre“ statt. Das Historische Museum Saar bittet um Anmeldung unter 0681-506-4506 während der Öffnungszeiten. Es gilt das Hygienekonzept des Museums: begrenzte Personenzahl, Abstandsregeln und Maskenpflicht.

 

Vom 25. Oktober und 26. November wird das Gedenken im Regionalverband Saarbrücken durch ein vielfältiges Begleitprogramm mit Vorträgen, Stadt- und Museumsführungen und einer Andacht in der Saarbrücker Ludwigskirche inhaltlich begleitet.

 

In Rehlingen-Siersburg lädt die „AG Stolpersteine Rehlingen-Siersburg – Aktionsbündnis für Toleranz und Menschlichkeit“ um 18 Uhr an ihrem 2017 eingerichteten Gedenkort für die nach Gurs verschleppten Siersburgerinnen und Siersburger an der Pfarrkirche St. Martin zur Andacht Es sprechen Bildungsstaatssekretär Jan Benedyczuk, der 1. Beigeordnete der Gemeinde, Joshua Pawlak, Ortsvorsteher Reinhold Jost,  die designierte Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar, Ricarda Kunger sowie Dechant Ingo Flach. Helmut Eisel und sein Ensemble setzen den musikalischen Rahmen.

 

Die für St. Wendel in der Ev. Stadtkirche geplante Gedenkstunde wurde aufgrund der aktuellen Corona-Situation im Landkreis St. Wendel abgesagt. Das Adolf-Bender-Zentrum ist jedoch am 22. Oktober 1940 mit Aktionen im Stadtraum unterwegs.