Kontext
Das Historische Museum Saar dokumentiert in seiner Dauerausstellung "Zehn statt tausend Jahre" die Jahre 1935 bis 1945 an der Saar. Im Saarbrücker Schloss war seit 1935 die Hauptstelle der Gestapo im Saarland untergebracht. Die Arrestzellen im Keller des Gebäudes bezeugen diese Geschichte des Ortes. Vor dem Schloss liegt unter dem Schlossplatz das "Unsichtbare Mahnmal" von Jochen Gerz in Erinnerung an die jüdischen Friedhöfe und damit das jüdische Leben vor 1933 in Deutschland und im Saarland.
Aufgrund der steigenden Zahl der Verhafteten und der Verhörten - allein bis 1936 wurden etwa 5.000 Menschen dorthin verbracht, ging man dazu über, im Schlosskeller Zellen und Verschläge für Häftlinge einzurichten, in den sie oft Stunden oder Tage auf ihre Verhöre warten mussten. Erhalten ist heute noch die 2,50 mal 3,50 große Zelle. Neben der Zelle waren in den Kellerräumen Eisenkäfige installiert. Dazu kamen Blechkästen, die nur so groß waren, dass gerade eine Person in ihnen Platz fand.
Die Zelle wurde bei der Instandsetzung des Saarbrücker Schlosses 1975 entdeckt. An den Wänden fanden sich Inschriften der dort für Verhöre durch die Gestapo inhaftierten Zwangsarbeiter aus Osteuropa und politischen Gefangenen aus dem Gefängnis Lerchesflur sowie dem Gestapo-Lager Neue Bremm.
Der Schlossplatz war nicht nur mit der Dienststelle der Geheimen Staatspolizei im Nordflügel des Schlosses, der Polizei im Erbprinzenpalais und der Kriminalpolizei im Alten Rathaus das Zentrum des NS-Terrors, sondern auch Sammelstelle für saarländische Jüdinnen und Juden vor ihrer Deportation nach Gurs. Am 22. Oktober 1940 wurden von hier aus in den frühen Morgenstunden durch die „Wagner-Bürckel-Aktion“ der ersten großen Deportation von Jüdinnen und Juden aus damaligen Deutschen Reich mit jüdischen Menschen aus Baden und der Pfalz in das Internierungslager Gurs in den Pyrenäen verschleppt. Es wurden 134 Jüdinnen und Juden aus den Gemeinden und Städten des Landes nach Gurs deportiert.
Der Künstler Jochen Gerz ging in seiner Zeit als Gastprofessor an der 1989 gegründeten Hochschule der Bildenden Künste Saar ab dem Jahr 1990 mit einer Gruppe von Studierenden daran, in nächtlichen Aktionen entnommene Pflastersteine durch Stellvertreter zu ersetzten. Derweil wurden auf die Unterseite der Steine die Namen aller jüdischen Friedhöfe eingeritzt, die vor 1933 in Deutschland existierten. Die Liste wurde in Abstimmung mit den jüdischen Gemeinden der Bundesrepublik erstellt. Daher verzeichnet jeder Stein auch das Datum, an dem die Antwortbriefe der Gemeinden in Saarbrücken eintrafen. 2.146 Friedhöfe wurden ermittelt. Ebenso viele Steine zählt das Mahnmal.
Die anfängliche Geheimhaltung der Arbeit war ein wesentlicher Bestandteil des Projektes, das dem künstlerischen Ansatz von Jochen Gerz (https://www.jochengerz.eu/works) folgt. Diesen kennzeichnet ein Misstrauen gegenüber den traditionellen Formen der Erinnerungskultur (Monument, Denkmal, Informationstafel) nicht nur in Saarbrücken. (http://www.kunstlexikonsaar.de/personen-a-z/artikel/-/staetten-des-gedenkens/)
Im Aufgang zum Festsaal des Schlosses verweisen vier Informationstafeln auf die Entstehungsgeschichte des Mahnmals. Eine Deutschlandkarte verzeichnet die 2.146 jüdischen Friedhöfe.